Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, Ralf Wohlleben und weitere spätere Mitglieder und Unterstützer*innen des NSU wuchsen in Jena auf. Schon während der DDR-Zeit waren sie in verschiedenen alternativen Jugendszenen unterwegs, insbesondere in der rechten Skinhead-Szene, bei den sogenannten „Naziskins“. Diese Szene wuchs Ende der 1980er Jahre: Im Jahr 1988 zählte die Stasi in Thüringen bereits über 100 Skinheads, wobei die Dunkelziffer deutlich höher liegen dürfte.*
Zudem stellten die Sicherheitsbehörden einen Anstieg von Brutalität sowie eine zunehmende „Verherrlichung und Nachahmung faschistischer Symbole und Organisationsstrukturen“ in der Öffentlichkeit fest.* Zwischen März und Juni 1989 vermerkte die Stasi im Bezirk Gera, zu dem auch Jena gehörte, mehrfach „außergewöhnliche Vorkommnisse neofaschistischen Inhalts“ an Schulen, vorrangig unter Schülern der 8. und 9. Klassen.* Von offizieller Seite wurden Probleme mit Neonazis in der DDR jedoch immer geleugnet: Die Behörden und die Medien stellten sie vielmehr als unpolitische „Rowdys“ dar.
Ein ehemaliger Lehrer von Uwe Mundlos beschreibt, dass dessen Radikalisierung ab der 8. Klasse trotz kurzgeschorenen Haaren, Springerstiefeln und häufiger Provokationen an den Lehrkräften vorbeiging. Er habe sich im Unterricht stets „darum bemüht, die Politik […] rauszuhalten“ und auch die Entwicklung Uwes „nur am Rande mitgekriegt“, so der Lehrer. Was die Schüler in ihrer Freizeit taten, sei schließlich deren „Privatsache“ gewesen.*
Ab 1990 genoss die rechte Szene neue Freiheiten. Rechte Zeitschriften und Szene-Texte wurden nun für das spätere Kerntrio zugänglich, ebenso Musik von westdeutschen Nazibands wie Noie Werte, aber auch von der 1991 gegründeten Band Landser, deren Wurzeln in Ost-Berlin liegen. Der 1991 eröffnete Winzerclub in Jena-Winzerla wurde zum Treffpunkt der rechten Szene: Ein Freiraum für jugendliche Neonazis, die zugleich die Umgebung des Clubs zur Angstzone für Migrant*innen und Linke machten.
Kurze Zeit später wurden Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe Mitglieder der Kameradschaft Jena. Diese gehörte ab 1996 zum Thüringer Heimatschutz (THS), einem Netzwerk rechtsradikaler und militanter Gruppen mit ca. 170 Mitgliedern (Stand 2001), in dem offen über die „Gewaltfrage“ diskutiert wurde.
Zugleich stellte der THS das Bindeglied zwischen den örtlichen, informellen Kameradschaften, der NPD und der bundesweiten Neonazi-Szene dar.* Das Trio begann Diebstähle zu begehen und Waffen zu sammeln, weshalb in den 1990er Jahren mehrfach gegen sie ermittelt wurde. Zur selben Zeit begann in Jena und Umgebung eine ganze Serie rechter „Aktionen“.
Torsten Hahnel war damals Mitglied der Punk-Szene, arbeitet heute für Miteinander e.V. in Halle und beschreibt die Situation im Interview so: