Zusammenfassend kann festgehalten werden: Schon vor dem Fall der Mauer gab es organisierte Neonazis in Jena. Der heutige Eichplatz war offenbar ein Treffpunkt, wenn auch nicht der einzige. Bei den Angriffen, die sich auch hier ereigneten, konnte der Platz der Kosmonauten jedoch zu einer Angstzone werden. Die Frage, woher rechtes Gedankengut, die Einstellungen und auch Gewalt kamen und kommen, wurde mit Ausnahme von Oppositionskreisen nicht ehrlich gestellt.
Schon in den achtziger Jahren schlossen sich immer mehr Punks den Skinheads an; dieser Trend verstärkte sich mit dem Ende der DDR. Auch rechte Gewalt wurde in den 1990er Jahren offener und brutaler verübt. Die Gewalt der „Baseballschlägerjahre“ wird oft mit den Unsicherheiten des Umbruchs ab 1989/90 begründet. Junge Leute wären deswegen zu Skins und Neonazis geworden, weil sich so viel auf einmal änderte.
Plausibler ist es jedoch, den Rechtsradikalismus der 1990er Jahre zusätzlich auch als eine Kontinuität aus der DDR in das vereinigte Deutschland zu erklären. Es gab schon zu DDR-Zeiten einen relevanten Bevölkerungsanteil, der rechte und rassistische Einstellungen vertrat. Das Phänomen existierte bereits vorher und verstärkte sich im Zuge des Systemwechsels.
Die zweite Kontinuität liegt im Umgang mit rechter Gewalt. Auch noch in den 1990er Jahren wurde rechte Gewalt häufig als reines „Jugendproblem“ abgetan, den neonazistischen Jugendlichen sogar mit Empathie und Verständnis begegnet. Dass es sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem handeln könnte, wollten die Wenigsten sehen. Die Einstellungen der breiten Bevölkerung, die die radikalen Einstellungen mittrugen, wurden nicht genügend diskutiert.
Wie auch in der DDR standen die Opfer von Angriffen in den 1990er Jahren in der Regel nicht im Fokus, sondern eher die Täter. Um diese Schieflage und den Versuch ihrer Korrektur geht es an weiteren Stationen des Rundgangs.
Text: Raphael Bergmann