Zu den Initiator*innen von The Voice gehört unter anderem Osaren Igbinona, der Anfang der neunziger Jahre aus Nigeria nach Deutschland geflohen war. Zunächst wurde er in einer Erstaufnahmeeinrichtung in Mühlhausen, einer ehemaligen russischen Kaserne, untergebracht.* Als ehemaliger politischer Menschenrechtsaktivist prägte ihn die gesellschaftliche Isolation und politische Handlungsunfähigkeit so sehr, dass er begann, sich für die Rechte von Geflüchteten in Ostdeutschland zu engagieren.
Im Oktober 1994 gründete er mit drei anderen Männern aus Nigeria und Liberia das The Voice Africa Forum. Gemeinsam versuchten sie, die Menschen in Thüringer Geflüchtetenheimen auf ihre Situationen aufmerksam zu machen und zu einem gemeinsamen Engagement dagegen zu motivieren.* Ihr Engagement rührte dabei nicht von ungefähr – waren sie doch selbst in ihren Ländern verfolgt, weil sie sich dort bereits für Menschenrechte und demokratische Teilhabe eingesetzt hatten.
Osaren Igbinobas Engagement weckte immer wieder gesellschaftliches und mediales Interesse.
Anders als die Thüringische Landeszeitung noch am 1. Mai 1997 berichtete, blieb Igbinoba kein „Gast-Jenaer“ oder „Jenaer auf Zeit“, sondern wurde ein langjähriger politischer Aktivist vor Ort. Kontinuierlich machte er auf die Rechte von Migrant*innen und den Zusammenhang von Flucht und (post-)kolonialen Ausbeutungsverhältnissen aufmerksam.
Die lokale Zeitungsberichterstattung Anfang der 1990er Jahre verdeutlicht, dass Osaren Igbinoba ein umtriebiger, stets politisch aktiver Mensch war. Dabei kritisierte er auch, dass sich viele Deutsche eher für die Kultur seines Herkunftslandes als für die dortige politische Situation interessieren würden.
Nigeria war bis Ende der neunziger Jahre einer Militärdiktatur unterworfen, die für Menschenrechtsaktivisten Haft, Folter und Tod bedeuten konnte. Um Menschen, die nach Deutschland geflüchtet waren, vor dem dortigen politischen Regime zu schützen, engagierte er sich gemeinsam mit anderen migrantischen Aktivisten gegen Abschiebungen und ein restriktives Asylgesetz:
Bei dem vielfältigen Engagement von The Voice wurde der Verein immer wieder auch von anderen Initiativen, Vereinen und Organisationen unterstützt. Im Jena der neunziger Jahre setzten sich unter anderem die Junge Gemeinde Stadtmitte, Mitglieder der Gewerkschaften, des Ausländerbeirats (so die damalige Bezeichnung), die Ausländerbeauftragten und der Flüchtlingsrat aktiv für die Rechte von Migrant*innen und gegen Rassismus und rechte Gewalt ein. Aber auch Menschen, die sich in den Wohlfahrtsverbänden oder in der Sozialen Arbeit engagierten, versuchten die konkreten Lebensbedingungen von Migrant*innen zu verbessern.
Zu den Themen, die The Voice gemeinsam mit anderen Aktivist*innen in die Medien brachten, um gesellschaftlichen Druck zu erzeugen und damit zur Veränderung der als problematisch angesehenen Situation beizutragen, gehörte auch die Unterbringung auf dem Forst in jener Aufnahmeeinrichtung, um die ab 1992 in Jena scharf gerungen worden war.
Die Aktivist*innen kritisierten die Lebensbedingungen und die gesellschaftliche und politische Isolation der dort untergebrachten Menschen. The Voice unterstützte und beteiligte sich dabei auch an Boykott- und Streikaktionen. So traten beispielsweise im August 1997 einige Asylbewerber*innen auf dem Forst in einen Hungerstreik und stellten einen Forderungskatalog auf. In einer Resolution, die sie zum Hungerstreik veröffentlichten, brachten die Aktivist*innen ihre Verzweiflung zum Ausdruck. Einige waren bereits durch die Ausweglosigkeit in den Wahnsinn und in den Suizid getrieben worden.
Neben der Kritik am Asylsystem, das Menschen, die fliehen mussten, kriminalisierte, stellten sie grundlegende Forderungen auf. Unter anderem forderten sie eine Busverbindung zwischen dem Forst und der Innenstadt sowie Verbesserungen der hygienischen Bedingungen. Auch der Wunsch, selbst zu kochen – und damit existenzielle menschliche Bedürfnisse auszuleben – war Teil ihrer Forderungen.
Im Jahr 1998 beteiligte sich The Voice auch an der Flüchtlingskarawane, die von einem bundesweiten Netzwerk von Aktivist*innen organisiert worden war und anschließend durch 44 deutsche Städte zog, um auf die Rechte von Migrant*innen und Geflüchtete aufmerksam zu machen.
Eine bedeutende überregionale Aktion von The Voice fand im Jahr 2000 statt: Im Rahmen einer weiteren Karawane lud The Voice Geflüchtete und Aktivist*innen aus der ganzen Welt zu einem Kongress in die Jenaer Universität ein. Es war das erste Treffen dieser Art in Deutschland.*
Für jene Asylbewerber*innen, die aus anderen Orten Deutschlands anreisen wollten, war dies mit der Gefahr von Haftstrafen aufgrund der sogenannten Residenzpflicht verbunden, die politisch äußerst umstritten war. Diese untersagte Asylbewerber*innen, sich über einen vorgegebenen Radius hinaus vom Ort ihrer Unterbringungen zu entfernen.